Olejar Books

Vladimir Nabokovs Lolita, zur Zeit seines Erscheinens heftig umstritten, stellt sich heute als einer der bewahrenswerten psychologischerotischen Romane unseres Jahrhunderts dar. Es ist die Lebensbeichte eines aus Europa stammenden, in die USA verschlagenen und wegen Mordes angeklagten Intellektuellen, der auf Grund entscheidender Jugenderlebnisse eine unglückliche Leidenschaft für sehr junge Mädchen entwickelt hat. Die rückhaltlose Selbstanalyse seiner fragwürdigen Liebesbeziehungen zu der verführerischen zwölfjährigen Lolita legt eine Fülle moralischer und gesellschaftlicher Fragen und Probleme frei und gerät durch die sprachliche Kultiviertheit und Verhaltenheit zu einer beispielhaften Darstellung einer ungewöhnlichen zwischenmenschlichen Konfliktsituation. Nabokov, der wie Joseph Conrad eine Sprache meisterhaft zu handhaben und schöpferisch zu nutzen verstand, die nicht seine Muttersprache war, läßt in diesem Roman bei aller Tragik des Geschehens Wortwitz und Wortspiel funkeln und zieht darüber hinaus alle Register der Ironie, Satire und Parodie, um die ,,spießige Vulgarität" des mittelständischen Amerikas der 40er und 50er Jahre bloßzustellen. Der aus dem zaristischen Rußland stammende amerikanische Schriftsteller war Individualist und Kosmopolit in einem. Seine Herkunft verhinderte zwar zeit seines Lebens eine objektive Beurteilung des 1917 entstandenen Sowjetstaates, seine von europäischen Literatur- und Kulturtraditionen gespeiste Bildung jedoch ließ ihn trotz aller Widersprüche zu einem Künstler reifen, der in der bürgerlichen Literatur unserer Zeit einen festen Platz einnimmt.